Ein Hirte im bernischen Gadmental wusste die folgende Geschichte zu berichten: "Es gibt zwei Arten Stollenwürmer. Schwarz sind die einen, die gemeiner, häufiger sind. Die andern sind weiss und tragen Krönlein auf ihren Köpfen."
Einmal wollte ein Mann, der recht viel Zaubereien erlernt hatte, dem gefährlichen Gewürme den Meister zeigen. Er zog zuerst einen schützenden Kreis um sich und begann darauf, mit einem seltsamen Pfeilen die Stollenwürmer von nah und fern anzulocken.
Die Tiere vermochten den magischen Tönen nicht lange zu widerstehen. Wutschnaubend ob dem Zwänge krochen sie von allen Seiten herbei, und bald wimmelte es um den Zauberer von Ihren schrecklichen Scharen. Doch sie konnten sich anstrengen, wie sie wollten - die Kräfte, die der Mann mit seinem Zauberkreise beschworen hatte, sie trotzten dem Zorne der Ungeheuer, und vergeblich tobten sie um ihren mächtigen Beschwörer und Bezwinger herum.
Ein anderer wäre damit zufrieden gewesen und hätte seine Kunstfertigkeit, sein Schicksal und Glück nicht länger auf die Probe gestellt. Nicht aber unser Zauberer - er pfiff fort und fort und lockte immer mehr und immer schrecklichere Untiere in seine Nähe.
Da wälzten sich aus der Ferne andere Würmer herbei und trugen auf ihren Rücken ein besonders dickes, grosses, abscheulich aussehendes Geschöpf von Ihrem Stamme heran. Mit aller Kraft warfen sie es durch die Luft, hoch über den auf dem Boden gezeichneten Schutzkreis, gegen den gehassten Zaubermeister. Voll Entsetzen rief dieser im gleichen Augenblick: "Ich bin verloren!"
Das war auch wirklich sein Ende - schon zerriss ihn das Scheusal.
Quelle: "Menschen und Mächte: Sagen zwischen Jura und Alpen", S. Golowin, Schweizer Verlagshaus, 1970
Dienstag, 20. März 2007