Die unverwundbare Schlange

Gemeindewappen Düdingen

Die unverwundbare Schlange

Die Nachkommen der Edlen von Düdingen bei Freiburg im Üechtland nannten sich Velga oder Velgen. Unter ihrem Schlosse in der Nähe von Düdingen, am steilen Felsen ob dem Galternbache, befindet sich ein tiefer, enger Balm; so nennt man ja die von überhängenden Felsen gebildeten Höhlen, die fast immer Wohnsitze des geisterhaften Bergvolkes sind. Fantomenloch nannte man auch jenen Balm, von dem in dieser Geschichte die Rede ist.

In der Felshöhle ob dem Bache hauste nun ein ungeheurer Stollenwurm, der den Viehherden im weiten Umkreis unendlichen Schaden zufügte, es entweder schwer bresthaft machte oder es erwürgte, um sich an seinem Blute zu sättigen. Obwohl das Ungetüm dem menschlichen Geschlecht nie gefährlich wurde, versuchten die Leute der Umgegend, es zu töten oder einigermassen seine Gier zu besänftigen.

Mit Pfeilen und Kugeln schossen erfahrene Jäger auf die schreckliche Schlange, doch alle Geschosse prallten ab, weil sie nicht in die glatte, mit dicken Schuppen bedeckte Haut einzudringen vermochten. Mehrmals versuchte man dem teuflischen Wurme vergiftetes Ochsenblut, nach dem er doch sonst so lüstern war, in einer Schüssel hinzuschieben. Doch das Ungeheuer war dazu listiger als jedes andere Tier der Wildnis - kaum berührte es die tödliche Brühe mit seiner Schlangenzunge, so spie es sie gleich wieder aus.

Wenn der edle Herr Velga mit einem Knecht das steile Tobel, den engen Hohlweg in das Tal hinunter ging, um im Bache ein wenig zu Fischen, dann sah er häufig den unheimlichen Bewohner der Fantomhöhle. Ein schwarzbrauner Klumpen, mit grünen, roten und weissen Streifen geziert, lag vor dem gefürchteten Balm. Wenn darauf der unerschrockene Mann etwas näher treten wollte, so rollte sich der Wurm blitzschnell empor, zischte und pfiff, streckte eine spitze Zunge aus seinem höllischen Rachen, zeigte dabei eine Doppelreihe schneidend scharfer Zähne und verschwand darauf in einem Hui in seinem feuchten Loche.

Mehrere der geistlichen und weltlichen, in Zauberkunst und Magie weitläufig bewanderten Herren, die von den verzweifelten Bewohnern um weisen Rat und Schluss befragt wurden, kamen zu einer Folgerung, die alle weiteren Versuche mit Geschossen und Giften sinnlos erscheinen liess: "Es handelt sich hier nicht um einen richtigen Stollenwurm", meinten die klugen Männer, "obwohl das Aussehen des Ungeheuers ganz darauf hinzudeuten scheint. Hier wütet, in die Gestalt eines scheusslichen Wurmes gebannt, eine unsterbliche menschliche Seele, die auf diese Weise eine schwere, während ihres einstigen Erdenwandels begangene Sünde abbüssen muss."

Quelle: "Menschen und Mächte: Sagen zwischen Jura und Alpen", S. Golowin, Schweizer Verlagshaus, 1970

Geokoordinaten: GoogleEarth Datei Düdingen

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Sonntag, 1. April 2007